356 Stammtisch Westfalen Mitte

 

 

Mitfahrgelegenheit gesucht !

 

 

 

Sehr geehrter Herr Deutmann, 

ich habe eine eher ungewöhnliche Anfrage: Mein Vater wird im Juni 70 Jahre alt. Zu diesem Anlass wollen wir drei Söhne ihm ein besonderes Geburtstagsgeschenk machen: Ein Tag mit einem Porsche 356. 

Ein paar Informationen über den Hintergrund: Unser Vater besaß vor vielen Jahren einen 356er, hat ihn dann aber aus Nachwuchs-technischen Gründen verkauft, und könnte sich heute dafür in den A....llerwertesten beißen. In der Zwischenzeit ist unser Vater fast vollständig erblindet und ist dem entsprechend frustriert, weil er durch seine Erkrankung voll aus dem Leben gerissen wurde. Eine Fahrt im 356er wäre für ihn mit Sicherheit eine tolle Sache und Erinnerungen würden wieder aufleben. Wir Kinder haben uns also überlegt einen 356er zu mieten. Meine Frage ist ob Sie oder ein Clubmitglied unseren Vater für einen Tag chauffieren würden? Wenn ja zu welchen Konditionen? Termin und Route könnten Sie bestimmen, da sind wir absolut flexibel. Wir kommen vom Niederrhein (Emmerich) und würden auch eine längere Anfahrt in Kauf nehmen. Bitte lassen Sie bei Gelegenheit etwas von sich hören.

Mit freundlichen Grüßen und vielen Dank im voraus 

Christian Dangelmaier

 

Diese Anfrage erreichte mich Anfang Juli über unsere Stammtisch-Emailadresse.

Da das Ansinnen des Herrn Dangelmaier keine Resonanz bei anderen Adressaten fand und ich mich ein wenig als Dienstleister in Sachen 356 fühle, nahm ich mich der Sache an, nicht ahnend, dass es eine so nette Ausfahrt werden würde.

Abgesehen davon, dass mir keinerlei Kosten entstanden und ich keinen Hunger oder Durst leiden musste – die reichste Gegenleistung für meine „Dienstleistung“ waren die Geschichten und Anekdoten, die der von Grund auf 356-Enthusiast mir während der Hin- und Rückfahrt bot.

Beim „(Geburtstags-)überraschenden“ Kennenlernen an der Tankstelle des

ZentrOs in Oberhausen überraschte mich der erste Kommentar des alten, fast

blinden Herrn, angesichts der ihm offensichtlich bekannten Silhouette

meines A-Coupes:

„Das ist ja ein A, so einen hatte ich auch mal!“.

Der wie zufällig geborene Vorschlag, mit meinem Auto zum Prolog der

„2000 KM durch Deutschland“ zum Schloss Wickradt fahren zu dürfen, irritierte

ihn nur ein bisschen, so viel zum Thema 356 hatte er zu erzählen. Mit Hilfe seiner

3 Söhne und des Chauffeurs gelang dann auch der etwas beschwerliche Einstieg

ins Coupe und die Reise begann.

Der obligatorische Stau vor Mönchengladbach in sengender Sonne verlor angesichts der begeisternden Unterhaltung seinen Schrecken und die richtige Ausfahrt verpasste ich, weil ich mich zu sehr auf die Ausführungen meines Passagiers konzentrierte.

Wie eine aufgedrehte Spieldose ließ der alte Herr die herrlichsten Dönekes aus seiner 356-Zeit vom Stapel – von den Insider-Storries aus seiner aktiven Porschistenzeit hier ganz zu schweigen.                                             

Nach Prolog und Vorstart des immer wieder attraktiven Starterfeldes und                          dem  obligatorischen Abschreiten des Oldtimer-Parkplatzes bei herrlichstem Sonnenschein

kehrte die kleine Karawane wieder um nach Oberhausen mit dem zweiten Teil des Porsche-Informationsaustausches zwischen Passagier und Chauffeur.

Diesmal gab es zum Ende hin zwei kurze Boxenstopps, da die Initiatoren des Projektes auch mal im Porsche fahren wollten. Nur der Älteste von ihnen konnte sich dunkel an den letzten 356 des Vaters erinnern. urück am ZentrO endete das Projekt „Mitfahrgelegenheit gesucht“, das allen Beteiligten richtig Spaß gemacht hatte. Der wertvollste Kommentar für mich war allerdings das Zitat von Mutter Dangelmaier "Der war ganz begeistert und fühlte sich 20 Jahre jünger. So ausgeglichen war er schon lange nicht mehr."

                            

Ein Ausflug der besonderen Art 

 

Am 14.7. diesen Jahres erhielt ich einen Anruf von meinen Sohn, dass ich am 15.7. morgens zu einem Ausflug abgeholt werden würde. Die Sache wurde sehr geheimnisvoll angefasst. Es wurde nicht gesagt, worum es sich handelt.

Am Samstagmorgen erschien mein ältester Sohn um mich abzuholen. In einigen Etappen gesellten sich meine Söhne Nummer 2 und 3 zu unserer Fahrgemeinschaft. Nachdem wir alle komplett im Auto saßen, ging die Fahrt unter Geheimnistuerei nach Oberhausen. Nach kurzer Wartezeit stand plötzlich ein alter Porsche 356A neben uns. Genau das Modell, welches ich vor Jahren selbst besessen habe, ebenso wie einen 356er mit abgeknickter Windschutzscheibe uns später einem 356B Cabrio. Als ich den 356er sah, schlug mein Herz höher. Als wir uns mit dem Inhaber bekannt gemacht hatten, entspann sich sofort eine Fachsimpelei über das alte Auto und dessen Geschichte. Dann wurde ich von dem Besitzer, Herrn Deutmann, eingeladen, ein Stück mit dem Auto zu fahren. Nach kurzer Überlegung, wohin die Fahrt gehen könnte, einigten wir uns darauf nach Mönchengladbach zum Prolog der „2000km durch Deutschland“ zu fahren. Es war für mich natürlich ein grandioses Erlebnis, in diesem Auto nach über 40 Jahren mal wieder fahren zu können.

Wir hatten rege Gespräche über die Geschichte der Autos und kamen vom Hölzchen aufs Stöckchen. Weil ich in den Jahren 1955/56, als der Porsche 356A von Herrn Deutmann gebaut wurde, Mitarbeiter bei Porsche in den Abteilungen Ersatzteillager, Hauptlager Serie und Rennabteilung/Versuch war, konnte auch ich Herrn Deutmann Wissenswertes und einige Anekdoten, die ihm bisher unbekannt waren, erzählen. So auch, dass ich einen selbst gebauten Porschemotor mit Teilen aus einem Porsche Flugzeug- und Bootsmotor in einem Käfer montiert und gefahren habe. Diese und ähnliche spannende Geschichten führten dazu, dass wir die Ausfahrt verpasst haben. Schließlich kamen wir also in Wickrath an. Dort machten wir uns einen schönen Tag, und es war interessant die Parade der Oldtimer anzusehen. Auf der Heimreise wurde mir erläutert, dass es sich bei dieser Aktion um ein nachträgliches Geschenk zum 70sten Geburtstag handelte. Hierfür ein Dankeschön an meine Söhne und ganz besonders an Herrn Deutmann, der sich und sein Auto freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Vielleicht ergibt sich ja noch mal die Möglichkeit sich zu treffen und über die ausgegrabenen alten Schätze aus dieser Zeit zu plaudern.

 

Hans-Joachim Dangelmaier

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